Donnerstag, 15. März 2007

Der neue Anfang

Mit einem Flüchtlingstrecks kamen wir ins Erzgebirge, in die Stadt Glauchau. Meine Freundin trennte sich dort von mir. Beide warteten wir auf einen Zug in Richtung Halle. Klara hatte in Halle eine Schwester wohnen. Ich konnte mich nicht entschließen mitzufahren. Halle war wieder eine große Stadt und der Krieg mit den schrecklichen Bomben war noch nicht zu Ende.
Ich wollte auch meine Eltern suchen und wusste aber noch nicht wie.
Eine Frau die im Wartesaal in Glauchau saß, hörte sich unser Gespräch mit an und fragte ob ich nicht nach Zwickau mitfahren wollte. Es hätte da noch keinen Bombenangriff gegeben und eine Arbeit würde sich auch finden. Das machte ich und bei der guten Frau konnte ich auch schlafen. Eine Arbeit in einem unterirdischem Kugellagerwerk hatte ich gleich gefunden. Es war eine angenehme Arbeit und am Tage brauchte ich keine Angst vor Fliegeralarm haben.
In Zwickau gab es nicht viel zu essen. Das bisschen was wir auf die Lebensmittelmarken bekamen reichte nicht lange. Geweint habe ich Nachts manchmal vor Hunger, ich konnte nicht einschlafen.
Am Tage hatte ich manchmal von den Muldewiesen Sauerampfer gesucht und davon Suppe gekocht. Ich habe mich auf die Suppe gefreut, wennich von der Arbeit kam. Doch meistens hatte der Große Junge meiner Wirtin die Suppe schon gegessen und ich musste wieder ohne Abendbrot ins Bett.
Dann kam der Tag wo der Krieg aus war und meine Heimat Ostpreußen wurde aufgeteilt.



(skaldenland.net)


Amerikaner kamen in die Stadt.....So manches junge Mädchen hatte sich mit den Amis für eine Tafel Schokolade eingelassen. Meine Wirtin hätte es von mir am liebsten auch gesehen, denn da würde sie sicher auch etwas von haben. Ich hatte immer noch meinen deutschen Stolz trotz alledem, auch war ich sicher noch zu jung. Auch musste ich an die vielen deutschen Soldaten denken die nun aus der Gefangenschaft kamen. Verächtlich sprachen sie von diesen Frauen und Mädchen.
Es war eine harte Zeit und so war es dann auch als die Russen kamen. Ich musste mich immer in den Kleiderschrank verstecken wenn sie auf Frauensuche waren. Einmal war ich auch zum Essen holen bei den russischen Soldaten an der Gulaschkanone. Sie gaben der Bevölkerung Eintopf aber meistens bekamen nur Frauen und junge Mädchen was. Sie wollten danach immer wissen wo sie wohnten. Als ich das hörte ging ich nie mehr Essen holen.
Der Krieg war zu Ende aber ich wusste nicht wo meine Eltern und Geschwister waren, lebten alle noch ? Das Leben in Zwickau hatte ich satt und ich musste was unternehmen. Darum fuhr ich nach Halle zur Schwester meiner Freundin. Von dort aus wollte ich weiter meine Eltern suchen. Durch gutem Zureden von Klaras Schwester blieb ich zuerst in Halle, bekam im Haus auch eine Unterkunft. Klara hatte in der Zeit wo ich in Zwickau war wieder als Schwesternschülerin im Krankenhaus Zeitz angefangen. Da ich aber ein halbes Jahr ausgesetzt habe sollte ich noch einmal meine Lehre von vorn an beginnen. Ich konnte mich nicht entschließen und Geld wollte ich auch verdienen. Einen Kurs als Kindergärtnerin schloss ich nach 4 Monaten ab und durfte als Volkskindergärtnerin arbeiten. Nebenbei arbeitete ich in einer Bäckerei bis ich eine Stelle im Kindergarten "Eigene Scholle"in Halle bekam.
Doch zuvor musste ich wie viele Menschen zur Demontage von Großbetrieben, für die Russen arbeiten. Für eine warme Mahlzeit und ein paar Pfennige entrostete ich in Holzweißig bei Bitterfeld große Maschinenteile. Zur Fahrt dort hin, auf dem Bahnhof von Halle, lernte ich meinen späteren Mann kennen. Er musste in Holzweißig die gleiche Arbeit machen.






















Alois 1946


Später brauchte mich man in der Küche und in der Essenausgabe. Alois hatte dadurch viele Vorteile diese er auch sehr schätzen lernte. Wir haben uns von Anfang an gleich gut verstanden,
hatten wir doch beide das gleiche Schicksal zu ertragen. Beide suchten wir unsere Eltern und wir waren Flüchtlinge, hatten die Heimat verloren. Er war aus dem Sudetenland und ich aus Ostpreußen. Wir hatten beide nichts und eine harte Zeit hatten wir in Holzweißig.
Alois fand zuerst seine Eltern, sie wohnten in Aschersleben. Er suchte sich Arbeit dort und zog bald dort hin. Nun war ich wieder allein. Bis Januar 1947 arbeitete ich noch als Kindergärtnerin in Halle. Um in Aschersleben ein Zimmer oder eine Wohnung zu bekommen beschlossen Alois und ich zu heiraten. Ich hätte auch sonst keine Zuzugsgenehmigung nach Aschersleben bekommen. Im Februar 1947 wurden wir standesamtlich getraut.




Es war keine schöne Hochzeit, für mich sehr traurig. Ich hatte noch keine Nachricht von meinen Eltern und Geschwistern. Immer musste ich an die Worte meiner Mutter denken. Sie hatte auch keine schöne Hochzeit, auch sie wurde standesamtlich Weihnachten 1925 getraut und im Januar 1926 wurde ich schon geboren. Ich war eben der Anlass das es keine Hochzeit gab, die Mutter meiner Mutter war sehr streng und es konnte auch keine kirchliche Trauung geben. Aber ich sollte mal eine schöne Hochzeit bekommen mit weißen langem Kleid und langem Schleier und die Musikanten sollten auf dem Dach spielen........Leider war es nur ein einfaches schwarzes Kleid, aber zum Mittagessen gab es Kaninchenbraten und wir hatten 4 oder 5 Hochzeitsgäste. Das Kleid war noch auf dem Bezugsschein und den Hochzeitstrauß aus weißen Kunststoffnelken hatte Alois aus Halle geholt. 10 Flaschen Korn hatte Alois Schwester Liesl besorgt und gleich beim aufmachen fiel eine Flasche zu Boden und war zersprungen. Eine Flasche Korn hatte wohl 100,-Mark gekostet. Die Feier fand auch auf engsten Raum in der kleinen Wohnung von Alois Mutter Fanny und Stiefvater Franz Melcher statt. Alois Vater war noch in der alten Heimat im Sudetenland 1944/45 verstorben.
Es war damals alles nicht so einfach. An eine Wohnung war zuerst auch nicht zu denken. Wir haben bei Melchers in einer kleinen Kammer geschlafen. In dieser Abstellkammer passte gerade ein Bett hinein. Im anderen Zimmer war die Schlafstelle der Melchers und dort wurde auch gekocht und gewohnt. Es war nicht sehr schön aber wir waren zusammen und gesund, es gab keinen Krieg mehr. Nach langem Suchen und Warten und viele Lauferei bekamen wir ein möbliertes Zimmer für ungefähr 40,-bis 60,- Mark. Strom extra. Verdient wurde damals nicht viel gerade bis zu 250,-Mark monatlich. Wir mussten damit leben und auch noch etwas sparen.
Einen Umsiedlerkredit bekamen wir auch ,der musste auch abgezahlt werden. Von dem Kredit kauften wir uns Bettwäsche und ein Eßservice. Ein Schlafzimmer konnten wir später auch noch auf Abzahlung kaufen. Es stand lange auf dem Boden da wir es im Zimmer nicht aufstellen durften. In diesem Zimmer mussten wir auch zu dritt auskommen.








Am 11.Mai 1949 war unser Sohn Karl-Heinz geboren. Doch nach langem Suchen fanden wir bei einem Bauer in der Georgstrasse eine Wohnung. Es war eine kalte und nasse Wohnung. Im Winter waren die Außenwände vom Frost ganz weiß beschlagen. In der Sogenannten Küche stand ein alter Küchenherd zum kochen mit dem ich nicht zurecht kam. So etwas hatte ich noch nicht gekannt.
Wie dann Tochter Ingrid unterwegs war konnte ich auch den Gestank von dem Herd nicht vertragen.
















Georgstrasse, 1954








Ingrid und Karl-Heinz, im Hof bei den Ställen
Georgstrasse 1954

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